II. Asche als Signum: Zur Miniaturisierung der Grabstätten

Darüber hinaus veränderte die Feuerbestattung das Erscheinungsbild der Friedhöfe im Allgemeinen und der Grabstätten im Besonderen. Da Aschengräber erheblich weniger Raum als Erdgräber benötigen, läuteten sie die bis heute anhaltende Miniaturisierung der Grabstätten ebenso ein wie deren Serialisierung. Die effizientere Nutzung der Friedhofsfläche war Element jener Rationalisierungsprozesse, die spätestens seit den 1920er-Jahren auch die Friedhöfe erfasste – eine Entwicklung, die mittlerweile in der anonymen Rasenbeisetzung eine weitere Steigerung erfahren hat. Unter anonymer Beisetzung versteht man die vom Verstorbenen oder dessen Angehörigen verfügte Beisetzung in einer gemeinschaftlichen Anlage ohne individuelles Grabzeichen und ohne Möglichkeit zur individuellen Grabpflege. Sie ist, von Ausnahmen abgesehen, gleichzusetzen mit Aschenbeisetzung. Die Asche wird – häufig in Sammelbeisetzungen – in einer zweckentsprechend kleinen Urne unter zunächst ausgestochenen und dann wieder eingesetzten quadratischen Rasensoden bestattet. Der exakte Beisetzungsort der einzelnen Urne innerhalb dieser Anlage ist nur der Friedhofsverwaltung bekannt. Häufig von einem Denkmal geschmückt, ist die Gesamtanlage gartenästhetisch meist ansprechend gestaltet. Ihre Bezeichnung variiert: Geläufig sind unter anderem „Urnengemeinschaftsanlage“, „Urnenhain“, „Anonymer Urnenhain“, „Urnengemeinschaftshain“ oder auch schlicht „Rasenfriedhof“. Am Denkmal oder in den Randbereichen besteht in der Regel die Möglichkeit, Blumenschmuck zu hinterlegen. Inzwischen haben sich vielfältige Mischformen der Rasenbestattung entfaltet: beispielsweise mit gemeinsamen Namenstafeln oder mit kleinen Gedenkplatten, die in die Rasenfläche eingelassen werden. Ein bedeutsamer Grund für die wachsende Popularität der anonymen Bestattung sind die geringen Kosten, resultierend vor allem aus dem Verzicht auf Grabstein und Grabpflege. Weitere Aspekte verweisen auf gesellschaftliche Veränderungen: nachlassende familiäre Bindungen und die wachsende Mobilität machen das traditionelle, für mehrere Generationen angelegte Familiengrab zu einem Anachronismus.

Andere, aus dem Ausland bekannte Formen der anonymen Beisetzung, wie das freie Verstreuen der Asche außerhalb der Friedhöfe, sind in Deutschland in den einzelnen Bundesländern gesetzlich untersagt. Allerdings gibt es auf einigen Friedhöfen so genannte Aschestreuwiesen. Darüber hinaus ist die seit den 1970er-Jahren regulär praktizierte, zuvor als Privileg für Seeleute bekannte Seebestattung als eine Sonderform der anonymen Beisetzung zu betrachten. Bei der Seebestattung wird die Urne auf offener See versenkt und löst sich nach einer gewissen Zeit auf. Einen individuellen Erinnerungsort gibt es nicht, allerdings sind – ähnlich der anonymen Rasenbestattung – Gemeinschaftsdenkmäler bekannt (zum Beispiel an der Ostsee in Travemünde für das Seebestattungsgebiet der Lübecker Bucht).