3. Vom Einzelgrab zur Gemeinschaftsanlage: Der Wandel der Friedhöfe

Zugleich verändern die klassischen Friedhöfe ihr Erscheinungsbild. Haupttendenz ist die Auflösung der reglementierten Einzel- und Familiengräber und die neuartige, zumeist themenspezifische Modellierung von Miniaturlandschaften als Beisetzungsflächen. Dabei handelt es sich nicht immer, aber in der Regel um Aschenbeisetzungen. Ein frühes Beispiel ist die Anlage „Mein letzter Garten“ auf dem Hauptfriedhof Karlsruhe (2003 eröffnet, 2007 erweitert). Naturnah-landschaftlich gestaltet, wird sie von einem in Granitblöcken eingefassten Wasserfall dominiert, dem sich ein trocken gefallenes Bachbett als Symbol für das beendete Leben anschließt. Den Verstorbenen wird auf gemeinschaftlichen Erinnerungsmalen, deren freie gestalterische Formen die klassische, durch Stelen geprägte Grabmalkultur überwinden, mit Namen gedacht. Vergleichbar sind die so genannten „Memoriam-Gärten“, die erstmals auf der Bundesgartenschau in Schwerin 2009 präsentiert wurden. Es sind nach naturbezogenen Gestaltungsprinzipien gebildete Miniaturlandschaften, gestaltet zum Beispiel als Auengarten. Die einzelnen Grabstätten mit namentlicher Nennung der Verstorbenen werden auch hier ohne feste Abgrenzungen hineinkomponiert. Neben natursymbolischen Anlagen schaffen sich auch immer mehr soziale Gruppierungen, Kulturen oder Religionen eigene Bestattungsfelder.

Ein frühes und bekanntes Beispiel für eine Gemeinschaftsanlage ist der „Garten der Frauen“ auf dem Hamburg-Ohlsdorfer Friedhof. Er wurde 2001 eingerichtet und zeigt sich einerseits als Ort der Erinnerung an bedeutende Hamburgerinnen, deren historische Grabmäler hier – versehen mit Erläuterungstafeln – museal aufgestellt wurden. Auf der anderen Seite dient die Anlage in der Tradition der Genossenschaftsgrabanlagen zugleich Bestattungen, deren Ort mit gemeinschaftlichen Grabmälern markiert werden. [1] Ein markantes neueres Beispiel bilden Grabanlagen für Anhänger bestimmter Fußballvereine. Auf dem Hauptfriedhof Altona in Hamburg begann man 2007 mit der Anlage des stadionähnlich gestalteten „HSV-Friedhofs“: Drei „Tribünenrängen“ dienen der Aufnahme der einzelnen Gräber für Anhänger des Hamburger SV. Die Fläche, die mit Unterstützung des Vereines angelegt wurde, befindet sich direkt gegenüber dem HSV-Stadion. [2]

Die genannten Beispiele künden von einem allgemeinen Trend in der Grabstättenkultur: Bestimmte soziale Gruppen erhalten auf den Friedhöfen besondere Räume, die einer besonderen Gestaltung im Sinne einer „corporate identity“ unterliegen und in die das Einzelgrab integriert wird. Damit verlieren die traditionellen sozialen Institutionen (Familie, Nachbarschaft, Kirche) ihre Bedeutung für die Entwicklung der Bestattungskultur in der Postmoderne, neue, von größerer Wahlfreiheit geprägte Gruppierungen rücken tendenziell an ihre Stelle.

Hinzu kommt die Diversifikation des Friedhofsraumes jenseits seiner ursprünglichen Funktion als Bestattungsort mit der Musealisierung auf der einen, Kultur-, Tourismus- und Freizeitaktivitäten auf der anderen Seite. Friedhöfe werden künftig immer stärker einen über die eigentliche Bestattungsfunktion hinausgehende Bedeutung haben.



Quellen

[1] Bake, Garten der Frauen, 2006.
[2] Herzog, Vereinsfußball, 2011; ders., Trauer- und Bestattungsrituale, 2005.