Vortrag 16. November 2006 Bünde/Westerenger

5. Neuer Umgang mit Verstorbenen - neue Orte von Trauer und Erinnerung

Diese Beispiele zeigen bereits, dass im "Träumen vom anderen Tod" neue Orte und Ausdrucksformen von Bestattung und Trauer entstanden sind. Gemeinschaftliche Trauer- und Erinnerungsfeiern werden in entsprechend gestalteten Privaträumen oder in den Räumen eines Bestattungsinstituts durchgeführt. Auch in Krankenhäusern und Pflegeheimen werden zunehmend spezielle Aufbahrungs- und Trauerräume eingerichtet.

Die hat natürlich Auswirkungen auf den Umgang mit dem Leichnam. Spezielle Verfahren wurden entwickelt, um einen Verstorbenen "ästhetisch" herzurichten. Inzwischen hat sich ein ganzer Zweig der Bestatterbranche diesem aufwändigen Verfahren verschrieben: die so genannten Thanatologen. Mit ihrem "modern embalming" wird ein Verstorbener mit technisch-chemischen Hilfsmitteln behandelt, dass eine würdevolle Aufbahrung, ein würdevoller Abschied möglich ist.

Auch schafft sich die neue Kultur im Umgang mit Tod und Trauer schafft sich immer häufiger neue Orte im öffentlichen Raum. Der Straßenverkehr ist wohl das anschaulichste Beispiel - und hier insbesondere jene "Kreuze am Straßenrand", die an einen tödlichen Verkehrsunfall erinnern. Die Straße ist ein Raum, der wie nur wenige andere als Symbol der mobilen Gesellschaft gilt. So sind die "Kreuze am Straßrenrand" ein individueller und kreativer Akt der Trauerarbeit in der mobilen Gesellschaft.i Außerdem stellen die Kreuze eine zeitgenössische Form alltäglicher Erinnerungskultur dar, die als sepulkrale "Markierungen des Todes in der Landschaft" interpretiert und in die Tradition des "gestalteten Raumes" (Sühnekreuze, Marterln) eingeordnet werden können. Es sind aber nicht nur individuelle Orte der Trauer und Erinnerung, sondern auch öffentliche Mahnung an die Lebenden: "Mit [diesen] Erinnerungsstätten, die sich fast ausnahmslos im regionalen Umfeld der betroffenen Familien befinden, wird eine regionale Öffentlichkeit angesprochen," schreibt die Volkskundlerin Andrea Löwer in ihrer Studie zu diesem Phänomen.ii